Freitag, 21. Dezember 2012

Schießerei bei Amstetten

Amstetten (UL), Aurain
(Foto: S. u. C. Paulus, Amstetten, mit freundl.
Genehmigung)

In Flur Aurain bei Amstetten wurde als Lesefund ein Silexartefakt gefunden und dankenswerterweise mit der Vermutung, es handele sich um ein steinzeitliches Messerchen, dem Kunst- und Geschichtsverein in Geislingen gemeldet.

Aufgrund der gelblichen Farbe des mit kleinen Mikrofossilien durchsetzten Rohmaterials, der kantigen Grundform an einer offenbar etwas dickeren Klinge und vor allem aufgrund der tiefen, beidseitigen Retuschen an den Kanten, die vielfach feine Rostspuren aufweisen, erweist sich das Stück als ein stark genutzter neuzeitlicher Flintenstein. Leider also kein Steinzeitmesser. Entsprechende Stücke kamen vor allem in napoleonischer Zeit in großer Zahl nach Südwestdeutschland, waren aber auch schon seit dem 16. Jahrhundert im Einsatz. Sie dienen zum Schlagen des Zündfunkens bei Steinschlossgewehren.

Hartmut Gruber weist darauf hin, dass es durchaus sein könnte, dass der Flintenstein aus einer Flinte eines französischen oder österreichischen Soldaten herstammt, denn dort bei Amstetten gab es Anfang Juni 1809 ein Scharmützel zwischen den beiden verfeindeten Parteien. Das bayerische Regiment des Geislinger Bürgermilitärs mischte tatkräftig auf Seiten der Franzosen mit. Die Österreicher wurden in die Flucht geschlagen, wobei einige Gefangene gemacht wurden. Solche Identifikationen archäologischer Funde mit konkreten Ereignissen sind freilich immer schwierig. Da das Militär die Flintensteine nach wenigen Schuß ausgetauscht hat, könnte vorliegendes Stück am ehesten von einer Jagdwaffe stammen.

Die Geislinger Oberamtsbeschreibung nennt interessanterweise die Gewinnung von Feuersteinen aus dem auf der Alb anstehenden Feuersteinlehm (OAB Geislingen, 54). Alle mir bei Begehungen bekannt gewordenen Flintensteine aus der Region (es sind nicht viele, aber sie sind eben auch nicht ungewöhnlich) gehören aber dem gelblichen Rohmaterial an, das wahrscheinlich aus der Gegend um Maastricht stammt. Der Neufund fügt sich gut in dieses Bild ein und unterstreicht, wie sehr man trotz lokaler Feuersteinvorkommen auf Importflintensteine gesetzt hat.

Es ist immer wichtig, dass Funde der Wissenschaft bekannt werden - die regionalen Vereine sind da keine schlechte Anlaufstelle. Am besten ist aber immer eine Meldung an die Denkmalpflegeämter, im Falle von Amstetten ist das das Regierungspräsidium in Tübingen, im Kreis Göppingen das RP in Stuttgart (konkret Ref. 86 im Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen) oder die Kreisarchäologie Göppingen. Dort werden umfangreiche Fundakten geführt, die schließlich auch die Grundlage für siedlungsgeschichtliche Auswertungen bieten.

Mit bestem Dank an die Finder S. u.C. Paulus und an Hartmut Gruber für seinen Hinweis auf die Ereignisse 1809

Literaturhinweise
  • N. Kenmotsu, Gunflints: A study. In: D.R. Brauner (Hrsg.), Approaches to Material Culture Research for Historical Archaeologists (California, Penn 2000) 340-372 (online bei der Society for Historical Archaeology)
  • J. Weiner, Flintensteine. In: H. Floss, Steinartefakte (Tübingen 2012) 961-972.

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Rainer Schreg


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