Sonntag, 7. September 2014

Wetterleuchten über Geislingen



Wetterleuchten über Geislingen

1514 – 2014: 500 Jahre Lienhard Schöttlin und der Geislinger Aufstand in einer Zeit des Umbruchs


Vor 500 Jahren war die Welt im Ulmer Städtchen Geislingen ganz und gar nicht in Ordnung. Bürgerliches Aufbegehren entzündete sich an der Ulmer Obrigkeit, die mit Willkür und Ignoranz die Bürger in Geislingen unterdrückte. Die Folge war, das Geislinger Bürger – im sogenannten Zwölferausschuss - eine 26 Punkte umfassende Beschwerdeliste aufstellten und dem Ulmer Rat übergaben.


Geißlingen mit dem Schloß Helffenstein, Gouache 17. Jh., Stadtarchiv Ulm 
 
In Ulm wurde dieses Aufbegehren als renitent erachtet und der Ulmer Rat entsandte im Juli 1514 400 Landsknechte nach Geislingen, ließ die Rädelsführer verhaften und in Ulm vor Gericht stellen.
 
Vier der ‚Zwölfer‘ wurden lebenslang aus Stadt und Land verbannt und Lienhard Schöttlin durch das Schwert hingerichtet. Damit war das ‚aufrührerische Wesen derer von Geißlingen‘ nieder geschlagen.
 
In den folgenden Jahrzehnten kam die Stadt trotzdem nicht zur Ruhe, denn in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gab es gravierende gesellschaftliche Veränderungen, hervorgerufen durch revolutionäre Erhebungen, kriegerische Erschütterungen, und geistig-religiöse Reformationen, die sich ganz spezifisch auch in Geislingen manifestierten.
 
·         1513/14: Der sogenannte ‚Geislinger Aufstand’ in Zusammenhang mit dem ‚Armen
       Konrad‘
·         1517 - 1531: Beginn und Einführung der Reformation in Geislingen
·        1524/25: Der Bauernkrieg – Ludwig Helferich von Helfenstein und die Bauern bei
       Weinsberg
·         1552: Der Markgräfler Krieg und die Zerstörung des Helfensteins
 
Alle diese Ereignisse und Umwälzungen sind der historische Anlass, um im Rahmen des Kulturherbstes mit Vorträgen, Theater und Musik dieser schweren Zeiten zu gedenken.


Informationen unter:

Facebook geislingerkulturherbst
Geislingen: www.geislingen.de 

 

 

Mittwoch, 27. August 2014

Sonderausstellung im Rotkreuz-Landesmuseum Baden-Württemberg in Geislingen



Handmarie und Nagelritter
100 Jahre Erster Weltkrieg
Das Geislinger Rote Kreuz und der Krieg daheim


Das Attentat von Sarajevo vom 28. Juni 1914 setzte die Kriegsmaschinerie der damaligen Großmächte in Gang und am 1. August 1914 zogen schlafwandlerisch die europäischen Völker mit Hurra in einen Krieg, der schon nach wenigen Monaten im zermürbenden Stellungskampf zur Ernüchterung führte.

Geschmückter Transportzug im Geislinger Bahnhof August 1914
Die folgenden langjährigen Materialschlachten brachten millionenfache Opfer und unsägliches Leid für die Menschheit.

Unmittelbar nach Kriegsbeginn war dies auch in Geislingen zu spüren. Wurden anfangs noch die Soldaten, die zur Front fuhren, auf dem Bahnhof mit Getränken verköstigt, so waren es wenig später schon die ersten Lazarettzüge, in denen Schwerverletzte versorgt werden mussten.

Das Geislinger Rote Kreuz im Einsatz
bei der Sanitätsbaracke auf dem Bahnhof im Winter 1914/15
Not und Entbehrung nahm hier wie andernorts kriegsbedingt zu. Lebensmittel und Brennstoffe wurden knapp und teuer, bis schließlich – kontingentiert – Lebens-mittelmarken Einzug hielten.

Die zur Front einberufenen Männer mussten in den Fabriken wie der WMF durch Frauen ersetzt werden, die keine Kochtöpfe mehr sondern Granathülsen herstellten.


Der noch kaum benagelte
Helfensteiner Ritter beim Eingang
zum Geislinger Rathaus, 1915
Das tägliche Leben wurde weitgehend vom Krieg bestimmt. Öffentliche Einrichtungen dienten zunehmend für Einquartierungen. Aus Turnhallen, Schulen und Krankenhäusern wurden Notunterkünfte, Ersatzkasernen und Hilfslazarette.

Das Geislinger Rote Kreuz organisierte nicht nur die hiesige Verwundetenbetreuung, sondern führte auch Benefizveranstaltungen und Sammelaktionen für Hilfsbedürftige und Kriegsversehrte durch, um die allgemeine Not zu lindern.

Für diesen Zweck wurde auch 1915 der sogenannte ‚eiserne Helfensteiner‘ aufgestellt, der nach und nach mit schmiedeeisernen Nägeln beschlagen wurde. Der Kauf eines solchen Nagels kam der Kriegsversehrtenhilfe zugute.

Erst nach über vier Jahren kam es schließlich am
11. November 1918 zum Waffenstillstand. Für Deutschland war der Krieg verloren, und die Not der Nachkriegszeit mit Revolution, Arbeitslosigkeit, Hunger und Inflation begann.

Die Sonderausstellung im Rotkreuz-Landesmuseum Geislingen wurde in Zusammenarbeit mit dem Kunst- und Geschichtsverein Geislingen konzipiert und gestaltet. 
 
Rotkreuz-Landesmuseum Baden-Württemberg Heidenheimer Str. 72 73312 Geislingen, Tel.: 0 71 61 67 39-0
Öffnungszeiten: Samstag / gerade KW 11 - 16 Uhr, Sonntag / ungerade KW 13 - 17 Uhr
Die Sonderausstellung ist bis März 2015 an den Regelöffnungstagen zu besichtigen.




Donnerstag, 21. August 2014

Die Steigen rund um Geislingen


Die Steigen rund um Geislingen
Hier war die Fahrt beschwerlich für Mensch und Tier.

Geislingen liegt eingebettet im Zentrum einer Talspinne, die von fünf Tälern gebildet wird. Wer hier im Talkessel ankommt, muss zwangsläufig einen Albaufstieg zur Weiterfahrt wählen. Rund um Geislingen gibt es in alle Richtungen solche Albaufstiege, die hinauf auf das rund 120m höher gelegene Hochplateau der Schwäbischen Alb führen.
 
Luftbild von Geislingen, 1990. Man erkennt deutlich die fünf Täler die hier eine sternförmige Talspinne bilden. Vom Talgrund aus führen die Fahrsteigen hinauf auf das Plateau der Schwäbischen Alb

Diese Fahrsteigen gab es seit alters her. Sie waren einerseits die notwendigen Hauptverkehrswege für den Fernhandel, die von und zu ferneren Zielorten führten, andererseits auch die Nahverkehrsstraßen, die die umliegenden Albdörfern mit der Stadt Geislingen im Talkessel verbinden mussten.

So verband die Alte Weiler Steige schon zur Römerzeit Cannstatt mit Heidenheim, Günzburg und Augsburg und führte im Mittelalter zu den Dörfern Weiler, Schalkstetten, Stubersheim, Bräunisheim bis nach Gerstetten und Langenau.
 
Geislingen um 1850, Lithographie von F. Fleischhauer, Ausschnitt. Links der beiden Lokschuppen des Geislinger Bahnhofs sieht man, wie sich die steile Weiler Steige den Hang hinauf schlängelt. Im Vordergrund verläuft der damals baumbestandene Altenstädter Bühl, die heutige Bahnhofstraße, die die Zufahrtsstraße zur ältesten, seit der Römerzeit bestehenden, Weiler Steige war.


Seit dem Mittelalter führte die Reichsstraße von Esslingen über die Stadt Geislingen durchs Rohrachtal, die Geislinger Steige hinauf, nach Ulm. Zugleich war sie Wegverbindung zu den Dörfern Amstetten, Reuti, Ettlenschieß, Urspring und Lonsee.

Ähnliches galt für die Türkheimer Steige, die den Weg nach Laichingen und Blaubeuren wies und den Nahverkehr von und nach Türkheim, Oppingen, Nellingen und Aufhausen aufnahm.

Und schließlich die Stöttener Steige, die die Verbindung nach Donzdorf und Schwäbisch Gmünd war und die Dörfer Stötten, Schnittlingen, Nenningen und Weißenstein mit Geislingen verband.

Lediglich die jüngste, die Oberböhringer Steige, führte zu dem 1790 nach Plänen von Michael Knoll erbauten Weiler Oberböhringen und weiter nach Unterböhringen. Sie war eine reine lokale Straßenverbindung.

Neben diesen Fahrsteigen gab es drei weitere Wegverbindungen von kleinen Weilern zur Stadt, den Wittinger Steig, den Hofstetter Steig und den Gmünder Steig, die die Weiler Wittingen, Hofstett am Steig und Kuchalb verband.

Man unterschied zwischen einer Steige (mhd: ‚staiga‘) und einem Steig (mhd: ‚stic‘). Im Gegensatz zu einer Fahrsteige war ein Steig (schwäbisch auch: Stich) ein steiler Pfad, der zu Fuß oder mit einem Lasttier (Esel) begehbar war und nur eine lokale Verbindung darstellte.

Die Fahrsteigen in den Geislinger Talkessel war früher für die Bauerndörfer rund um Geislingen von größter Bedeutung, musste doch in heißen Sommern und kalten Wintern das Trinkwasser für Leute und Vieh mit Transportfässern aus dem Tal in die Dörfer transportiert werden.

Die Steigen waren steil und bei beladenen Wagen für die Zugtiere sehr beschwerlich, egal ob es bergab oder bergauf ging. Bergabwärts galt es, den Schub des Wagens mit Bremsblöcken auf den Hinterrädern zu drosseln, bergaufwärts musste dafür gesorgt werden, dass die Zugtiere nicht an besonders steilen Passagen zum Stehen kamen. Schwierig wurde es, wenn sich zwei Fuhrwerke auf der Steige begegneten. Um aneinander vorbei zu kommen, gab es Ausweichstellen. Doch dazu mussten sich die beiden Fuhrleute einig werden, wer ausweicht und wer Vorfahrt genießen durfte.

Modell eines sechsspänniger Frachtwagens, wie er seit dem Mittelalter im Fernverkehr auf der Reichsstraße von Esslingen nach Ulm unterwegs war.
 
Für den schweren Fernfrachtverkehr gab es in Geislingen die sogenannten Hauderer. Sie boten den Fuhrleuten gegen Entgeld zusätzlichen Vorspann mit Zugtieren an, um die Steilheit der Albaufstiege bewältigen zu können.
Die Jahreszahl 1870 wurde anlässlich
 der Erbauung der neuen Türkheimer Steige in den Fels eingemeißelt.


Diese alten Fahrsteige erfüllten ihren Zweck bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit dem Eisenbahnbau und der Industrialisierung des Geislinger Talkessels wurde der Transportverkehr dichter, und der Bahnhof in Geislingen brachte Menschen und Güter nicht nur in die Stadt sondern auch zu den umliegenden Albdörfern.

Die neue Weiler Steige wurde, wie hier im Fels eingehauen,
 1919 - 1921 in schwerer Nachkriegszeit erbaut.
Dadurch wurden neue Fahr-steigen erforderlich, die den neuen Verkehrsanforderungen gerecht sein mussten. So wurden 1824 die neue Geislinger Steige nach Ulm, 1865 die neue Stöttener Steige, 1870 die neue Türkheimer Steige, 1815/16 die neue Oberböhringer Steige und 1921 schließlich die neue Weiler Steige gebaut und in Betrieb genommen. Waren das anfangs noch Kalkstraßen so wurde mit dem zunehmenden Kraftverkehr im 20. Jh. die Straßen asphaltiert und sowohl berg- wie hangseitig gesichert.



 

Samstag, 15. Februar 2014

Zeitschnitt 1938


75 Jahre Landkreis Göppingen
Ausstellung zur Gründungszeit des Landkreises jetzt in Geislingen 
Das Alte Rathaus in der Geislinger Hauptstraße  um 1938




Im Rahmen des 75jährigen Kreisjubiläums hatte das Kreisarchiv Göppingen letzten Herbst auf Schloss Filseck die Ausstellung „Zeitschnitt 1938“ mit etwa 130 stark vergrößerten Bildpostkarten aus der Gründungszeit des Landkreises um 1938 präsentiert. Über 3500 Besucher haben dort bis Jahresende 2013 für eine überaus positive Resonanz gesorgt. Ab dem 25. Februar 2014 kann die erfolgreiche Ausstellung – wie schon 2013 geplant – nun für vier Wochen auch im Wappensaal des Geislinger Albwerks gezeigt werden.


Das gewaltige Autobahnviadukt bei Drackenstein
Hauptsächlich aus den Gemeinden der Oberämter Göppingen und Geislingen entstand im 
Oktober 1938 der neue Landkreis Göppingen mit 64 Gemeinden, rund 110 000 Einwohnern und 610 Quadratkilometern Grundfläche. Die Ausstellungsmotive der 1930er Jahre aus dem ganzen Kreisgebiet werden durch Bildbeschreibungen und Begleittexte ergänzt. Hochwertige Luftaufnahmen dokumentieren dabei die Entwicklung der Gemeinden und der Landschaften auch im starken Kontrast zur Gegenwart. Straßenszenen zeigen längst verschwundene Gebäude und Geschäfte. Stolz werden neu erbaute Freibäder und beliebte Ausflugslokale beworben. Neue Wohnviertel wie die Geislinger Bergwerkssiedlung entstehen. Die gigantischen Autobahnviadukte bei Aichelberg und Drackenstein werden zu touristischen Anziehungspunkten des neuen Landkreises.

 

Die ehemalige Autobahnraststätte Gruibingen um 1938
Hinter manch scheinbarer Idylle stehen aber auch die dunklen Seiten dieser Jahre. Auch die Postkarten sind Bilder ihrer Zeit: Straßen, Plätze und Einrichtungen werden nach NS-Größen benannt. Die großen Ausbildungslager Nordalb und Kuchberg oder die Attrappe einer Fliegerbombe auf dem Göppinger Marktplatz stehen für die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft. In den Straßen und von vielen Sehenswürdigkeiten wehen Hakenkreuzfahnen. Wenige Wochen nach der Kreisgründung werden in Göppingen die Synagoge brennen und jüdische Geschäfte demoliert. Nicht einmal ein Jahr nach der Kreisgründung beginnt mit Hitlers Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Daher werden die Postkarten durch ergänzende Ausstellungsfahnen in einen größeren Zusammenhang gesetzt, der zeittypische Hintergründe und Phänomene berücksichtigt.


 
Die Eröffnung mit Landrat Edgar Wolff (Begrüßung) und Kreisarchivar Dr. Stefan Lang (Einführung) findet bereits am Sonntag, den 23. Februar, um 18 Uhr im Wappensaal des Albwerks, Eybstraße 98,  statt. Zu dieser Veranstaltung wird herzlich eingeladen.
 
Öffnungszeiten: Di-Fr 14-17 Uhr, Sa und So 10-17 Uhr; Eintritt frei
Informationen beim Kreisarchiv Göppingen unter 07161/503-180, kulturamt@landkreis-goeppingen.de



Montag, 27. Januar 2014

Belagerung und Zerstörung des Helfensteins 1552 Teil 3


3. Akt: Die Zerstörung der Burg


Am Ende des überkommenen Chronikmanuskripts steht schlicht und einfach: 'Und wie kaiserl. Majestät für Metz kommen ist, hat man das Haus Helfenstein abgebrochen, im J. 1553 ists geraumet worden.'

Der letzte Satz des Chronisten lautet: 'Und es wäre noch viel darüber zu sagen, daß man nit Alles schreiben kann, aber das ist nur ein Wenig geschrieben zu gedenken.'

Deutlich gibt damit der Verfasser seinem Bedauern über die Geschehnisse Ausdruck. Man sieht ihn geradezu resignierend abwinken, als er die Feder gewissermaßen niedergelegt hatte. Es ging ihm hauptsächlich darum das Andenken an die Ereignisse des Jahres 1552 zu bewahren und weniger darum, sich in weiteren Einzelheiten über den Abriss der Burg zu ergehen. Vielleicht ging ihm die Zerstörung der Burg zu nahe, als dass er diese beschreiben wollte. Viel eher war ihm daran gelegen, die Erinnerung an die Burg zu erhalten, indem er seinem Manuskript eine Beschreibung der Festung Helfenstein und deren Verwaltung beifügte. Es handelt sich dabei um die einzige authentische Beschreibung der Burganlage, wie sie kurz vor ihrer Schleifung bestanden hatte.

Doch zurück zum Schicksal der Burg Helfenstein. Noch während der Belagerung erhielt Bürgermeister Sebastian Besserer vom Ulmer Rat die Weisung, 'wenn das Schloß erobert sei, so solle man dasselbe mit Hakenschützen und ein Dutzend Bauern besetzen, aber nur vorübergehend unter Aufsicht von ein oder zwei Amtleuten; denn es sei vorderhand in Aussicht genommen, keinen militärischen Posten mehr auf das Schloß zu geben. Die Wiederaufrüstung des Schlosses könnte später mehr zum Nachteil sein (durch ähnliche feindliche Einfälle); ferner sei das Schloß durch die Belagerung so arg mitgenommen, daß der Wiederaufbau große Summen benötigen würde'.

Von Ulm abgesandte Sachverständige begutachteten unmittelbar nach der Rückeroberung den Zustand der Festung, ob es geraten wäre, sie auszubessern oder gänzlich zu zerstören. Am stärksten war die Mauerflanke zum Ödenturm hin zerstört, während die nordöstlichen Mauernzüge aufgrund ihrer Stärke weniger beschädigt waren. Bei den Ausgrabungen Burkhardts wurden dort allerdings die meisten Geschützkugeln gefunden. Sie sind im Heimatmuseum ausgestellt.

Weiter wurde damals befunden, das Schloss sei in seinen Wohnräumen sehr bescheiden. Als fürstliche Wohnung eigne es sich nicht mehr. Die Unterhaltung käme durch die entstandenen Unkosten zu teuer.

Am 15. September 1552 wurde im Ulmer Rat mehrheitlich beschlossen, das Schloss abzutragen. Schon am 19. September begann der planmäßige Abbruch. Ein Teil der brauchbaren Steine wurde in Ulm zum Bau eines Kanals der Blau durch die Stadt verwendet, ein anderer wurde zur Verstärkung der Geislinger Stadtbefestigung beim Mühltor gebraucht. Auch die Geislinger werden sich bei dieser Gelegenheit mit Baumaterial versehen haben, ebenfalls die Bauern der Umgebung. Ein kleiner Rest blieb stehen, der 200 Jahre später gesprengt wurde.

So entstand mit der Zeit eine ebene Fläche im ehemaligen Burghof, das 'obere Wiesle'. Alles war überwachsen, und keine Spur zeigte an, dass hier einmal stattliche Bauten gestanden hatten.
 
 
Die Burgruine Helfenstein, kurz nach der Restaurierung der nachgewiesenen Grundmauern, 1938
 
Das Nachspiel
 
 
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts war der Helfenstein ein stiller Ort geworden, der zum Verweilen einlud. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde dort stimmungsvoll mit einem schlichten Holzkreuz als Gefallenenmahnmal den Opfern des ersten Weltkrieges gedacht. Ein aus Fichtenstangen gezimmerter Pavillon lud wie auf dem unteren Wiesle zum Rasten ein und gewährte einen Ausblick auf die Stadt und ihre Umgebung.
 
 
Doch mit Beginn der 30er Jahre hatte die beschauliche Ruhe dort oben zunächst ihr Ende gefunden. Unter der Leitung von Studienprofessor Georg Burkhardt wurden 1932 im Zuge einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme systematische Ausgrabungen durchgeführt, die nicht nur die Grundmauern der gesamten Burganlage ans Tageslicht förderten, sondern auch die damaligen Stadtväter dazu veranlasste, die beiden Mauernzüge der Burg mit ihren Rondellen, den Aussichtsturm anstelle des ehemaligen Pallas und die Zisternen in den beiden Burghöfen wieder zu errichten, so dass zumindest die Ausmaße der ehemaligen Burganlage nachvollziehbar wurden. Diese Restaurierungsarbeiten dauerten bis 1938 an, und die nun weithin erkennbare Festungsruine krönte fortan wieder die Fünftälerstadt.
 
 
Die Ruine Helfenstein trug seither maßgeblich dazu bei, dass Besucher aus weiten Teilen des Landes hierher kamen, um die stattliche Burganlage kennen zu lernen und die herrliche Aussicht über den Talkessel zu genießen.
 
 
Vielfältige Ausgrabungsfunde gelangten in das Museum im Alten Bau Geislingen, wo sie bis heute die Alltagsgeschichte auf der Burg vermitteln. In der Folge dieser Ausgrabung und Rekonstruktion des Helfensteins setzte zugleich eine Welle der Helfensteinerforschung ein, die vieles über die wechselvolle Geschichte des Grafengeschlechts aufdeckte und der Öffentlichkeit zugänglich machte. In erster Linie ist dabei Georg Burkhardt zu nennen, der als Vorsitzender des damaligen Altertumsvereins - heute Kunst- und Geschichtsverein Geislingen - in den 'Geschichtlichen Mitteilungen von Geislingen und Umgebung' und im ersten Band der 'Geschichte der Stadt Geislingen' die wichtigsten Forschungsergebnisse veröffentlichte.
 
 
 

Literatur:

Burkhardt, Georg: Geschichte der Stadt Geislingen, 1963, Bd. 1, S. 88ff.

Hiller, Max: Die Zerstörung des Helfensteins 1552, in: Geschichtliche Mitteilungen von Geislingen und Umgebung, Heft 13, 1952, S. 131ff.
 
 
 
 

Samstag, 25. Januar 2014

Überraschend. Alt. 75000 Jahre Menschheitsgeschichte im Landkreis Göppingen


Überraschend. Alt.

Das älteste Fundstück im 75 Jahre ‚jungen‘ Landkreis Göppingen ist ungefähr 75 000 Jahre alt. Hergestellt hat es ein ‚Europäer‘ mit archaischem Aussehen und modernem Verhalten – ein Neandertaler! Bis zum Ende der Altsteinzeit um 10 000 v. Chr. Hielten sich in der Region nomadisierende Jäger und Sammler auf. Schließlich führte ein Temperaturanstieg zum Rückzug der Eiszeitgletscher und zur Rückkehr der Wälder. Die Wildbeuter reagierten auf diesen gravierenden Klimawandel mit neuen Gerätetechnologien und Jagdmethoden.

Seit der Sesshaftwerdung im 6. vorchristlichen Jahrtausend war das Filstal zusammen mit seinem Umland, den Seitentälern und dem Albtrauf ein gefragter Siedlungsraum. Quer durch die Epochen wurden alle Ressourcen der Natur erschlossen und genutzt. Man legte Siedlungen unterschiedlicher Größe an. In Tälern, auf Hochflächen und sogar auf Bergen ließen sich Menschen nieder. Zu allen Zeiten führten Widrigkeiten der Natur, Umweltzerstörungen, Kriege, Seuchen sowie Gesellschafts- und Strukturwandel zu einschneidenden Veränderungen der Siedlungslandschaft.

Epochen-Stationen

In der Ausstellung vermitteln archäologische Epochen-Stationen Facetten der Menschheitsgeschichte im Landkreis Göppingen. Im Focus der Schau stehen Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit und Römische Kaiserzeit. Außergewöhnliches bieten auch die Themenkreise Frühmittelalter, Hochmittelalter und Neuzeit.

Bedeutende archäologische Funde

Es werden bedeutende Originalfunde präsentiert. Sie kamen seit dem 19. Jahrhundert bei Feldbegehungen, Bauarbeiten und Ausgrabungen zutage.
Viele sehenswerte Exponate stammen aus den Beständen der Kreisarchäologie Göppingen sowie der Städtischen Museen und Archive in Donzdorf, Ebersbach an der Fils, Geislingen an der Steige, Göppingen und Uhingen.

Highlights sind jungsteinzeitliche Steinbeile, bronzezeitliche Waffen, spätkeltische und merowingerzeitliche Grabausstattungen sowie keltische, römische und mittelalterliche Münzen. Bedeutend sind auch zahlreiche mittelalterliche und neuzeitliche Objekte aus stadtkernarchäologischen Untersuchungen in Geislingen an der Steige und Göppingen.
Das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart stellt die Schmuckbeigaben aus einem Geislinger Frauengrab der späten Keltenzeit zur Verfügung. Eine Leihgabe des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg ist das verzierte Ortband von der Scheide eines römischen Schwerts aus Hofstett am Steig. Auch private Sammlungen bereichern die Ausstellung mit sehenswerten Fundobjekten.


Premiere

Erstmals gezeigt werden: frühkeltische Grabfunde aus Hohenstadt, ein spätkeltische Siedlungsfunde aus Gingen an der Fils, Beigaben eines römischen Brandgrabs von der Schonterhöhe und neue Grabungsfunde von der Hiltenburg bei Bad Ditzenbach.

 
Begleitprogramm

Do. 30.1.2014 / 19.30 Uhr / Geislingen
Mehrgenerationenhaus, Schubartsaal
75.000 Jahre Menschheitsgeschichte im Landkreis Göppingen – Archäologisches vom Feuersteinschaber bis zum Kampfflugzeug.


Vortrag: Dr. Reinhard Rademacher, Kreisarchäologie Göppingen und
Michael Weidenbacher M.A., Eberhard Karls Universität Tübingen.
Die beiden Referenten begeben sich auf eine spannende und erkenntnisreiche Spurensuche quer durch die Epochen der Menschheitsgeschichte im Landkreis Göppingen. Mit Blick auf die Bodenfunde beginnt diese bei den Neandertalern und führt bis in die Zeit des 2. Weltkriegs.

So. 2.2.2014 / 15 Uhr / Albwerk, Wappensaal
Sonderführung der Kreisarchäologie
Themenschwerpunkte: Steinzeit und Keltenzeit.

Do. 13.2.2014 / 19.30 Uhr / Geislingen
Mehrgenerationenhaus, Schubartsaal
Stadtkernarchäologie total – Ulmer Geschichte aus 40.000 Quadratmetern Grabungsfläche
Vortrag: Dr. Aline Kottmann, Landesamt für Denkmalpflege, Esslingen.
Im Rahmen eines DFG-Projekts werden alle stadtkernarchäologischen Untersuchungen seit 1940 systematisch ausgewertet. Die Gosbacher Archäologin berichtet über neueste und spannende Erkenntnisse zur Geschichte der Reichsstadt Ulm.


So. 16.2.2014 / 15 Uhr / Albwerk, Wappensaal
Sonderführung der Kreisarchäologie
Themenschwerpunkte: Früh- und Hochmittelalter

Eintritt für alle Veranstaltungen frei.
 
Info und Kontakt
 
Ausstellungsort:
Albwerk Energieversorgung, Wappensaal im Mühlengebäude, Eybstr. 100, 73312 Geislingen an der Steige
 
Öffnungszeiten:
Di - Fr 14 - 17 Uhr / Sa und So 10 - 17 Uhr / Eintritt frei
Führungen für Gruppen und Schulklassen auch außerhalb der Öffnungszeiten, Kosten: 30 €
 
Information:
fon: 07161 50318-0
 
  
 

Belagerung und Zerstörung des Helfensteins 1552 Teil 2


Das Zwischenspiel


Innerhalb der markgräflichen Besatzungstruppen kam es offenbar nach Abzug des Markgrafen zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten und Machtstreitereien zwischen den beiden Kommandeuren, die damit endeten, dass 'Auf Sonntag nach Pfingsten Anno 1552 ... der Reysensteiner den Hornung zu Geißlingen in der Heerberg zu der Krone auf der Lauben' erschoß. 'Nach demselben kam Wilhelm von Kaltenbach, der hielt sich wohl mit denen von Geißlingen.'

Aus dem letzten Halbsatz lässt sich erschließen, dass offenbar der Hornung gegenüber der Geislinger Bevölkerung seine Machtposition ausgespielt und für Unfrieden und Angst gesorgt hatte, was schließlich zu der blutigen Konfrontation der beiden Kommandeure führte.

Zugleich ritt der Reysensteiner überall im Ulmer Land herum, warb Landsknechte und Schützen an und ließ weder Fuhrleute noch Bauern mit Frucht, Holz oder Wein nach Ulm fahren. Diese Blockade der Reichsstadt durch die Markgräfler dauerte vom Dienstag nach Ostern bis Ende Juli 1552.

Inzwischen nahmen die kriegerischen Vorbereitungen der Ulmer zur Rückeroberung ihrer Herrschaft allmählich Gestalt an. Der am Hof des Kaisers in Innsbruck weilende Hans Ungelter bat Anfang Mai im Namen des Ulmer Rats den Kaiser um 200 schwer bewaffnete Reiter, um den Feind im eigenen Territorium zum Abzug zu zwingen und zur Wiedereinnahme der vom Feinde besetzten Schlösser, Flecken und Städte beizutragen.

Der Kaiser war der Stadt Ulm wegen ihrer Treue wohlgesonnen und kam der Bitte entgegen. Schon am 15. Mai berichtete Hans Ungelter, dass der Kaiser Hilfe nach Ulm schicke; die Truppen würden in Konstanz zusammengezogen. Im Auftrag des Kaisers kam am 22. Juni der Obrist Konrad von Bemmelberg in Ulm an, um die fünf Fähnlein, die Ulm bisher selbst bezahlt hatte, in des Kaisers Sold zu nehmen, noch weitere fünf Fähnlein zu werben und daraus ein ganzes Regiment von zehn Fähnlein zu errichten. Dazu sollten weitere zehn Fähnlein Fußtruppen und 400 Reiter des Grafen Montfort eintreffen, die der Kaiser für die Treue der Stadt, samt den schon vorhandenen Truppen selbst in Sold nahm. Am 30. Juni erhielt Konrad von Bemmelberg vom Kaiser den Befehl, die von den Feinden besetzten Güter für Ulm zurückzuerobern.
 

Geislingen von Westen mit der Darstellung der Belagerung und Wiedereinnahme der Burg Helfenstein durch die Ulmer 1552. Gouache auf Pergament, 2. Hälfte 16. Jh., Museum im Alten Bau Geislingen







 
2. Akt: Die Belagerung und Beschießung der Festung Helfenstein durch die Ulmer

Am Donnerstag vor Laurentius, dem 4. August 1552, rückte nun Konrad von Bemmelberg, begleitet von Sebastian Besserer, dem vormaligen Bürgermeister und damaligen Kriegsmeister von Ulm, mit acht Fähnlein aus dem Ulmer Regiment, einem Geschwader Reisigen und Geschützen vor die Burg Helfenstein und sie schlugen, wie der Chronist berichtet, 'das Lager ob dem Rinderthal auf der Alb und schanzten daselbst'.

Und weiter heißt es: 'Da ward aber das Schießen so groß aus dem Schloß, daß sie die Hütten den mehrsten Theil in die Halten macheten und wichen aus dem Lager. Und die erst Schanz wollt nichts guts thun, da machten sie eine Schanz zuvorderst auf dem Berg.'

Die Gegenwehr aus dem Schloss gegen die heranrückenden Ulmer war offensichtlich sehr massiv, was dazu führte, dass die Belagerung und Beschießung der Burg zunächst aus Mangel an Schutz zu scheitern drohte. Es ist anzunehmen, dass die Ulmer ihre Geschütze auf der dem Schloss nördlich vorgelegenen Höhe mit Einsicht in den Schlosshof in Stellung brachten und dabei von der feindlichen Burgbesatzung durch andauernde Beschießung empfindlich gestört wurden.

Anderntags hatten schließlich die Ulmer ihre Geschütze vollends in Stellung gebracht und über das besetzte Dorf Weiler mit einem 'Fähnlein Knecht' einen Vorstoß auf die Burg gewagt, der allerdings zurückgeworfen wurde. Währenddessen war das Artilleriegefecht zwischen den Ulmern und der feindlich besetzten Burg Helfenstein und Stadt Geislingen in vollem Gange.

'Und die von Ulm handt in ihrer Schanz gehabt 12 großer Stuck (Kanonen); die Ladung hat gewogen 67 Pfundt. Eine solche Kugel ist in die Kron in die Herberg geschossen worden. Aus diesen Stucken haben sie fast alle Tag 200 Schüß oder mehr gethan. Und wenn ein Schuß in das Schloß gangen, seindt zween heraus gangen. Und auf den andern oder dritten Tag haben die von Helfenstein denen von Ulm in die Artelerey oder in ihre Pulverwägen geschossen, daß Alles verbrannt ist worden und viel Volks dazu. Aber die Ulmer haben ihnen die hohe Wehr abgeschossen, daß sie über zween oder drei Tag haben nit uß der hohen Wehr schießen können.'

Zwei Tage lang dürfte demnach das Belagerungsgefecht unentschieden gewesen sein. Erst nachdem es den Ulmern gelang, das feindliche Geschützfeuer aus dem Wehrgang des Darließ (Geschützturm) zu unterbinden, senkte sich die Waagschale zu ihren Gunsten. Als sie dann schließlich am vierten Tag vier weitere schwere Geschütze beim Ödenturm in Stellung brachten, konnte von beiden Seiten die Burg beschossen werden. Die Belagerung schritt nun rasch vorwärts.

Das erkannten auch die Geislinger Bürger, die bis dahin größtenteils markgräfisch gewesen sein mochten, und am Dienstag, den 9. August, 'zogen die von Geißlingen in das Lager und baten um Gnad – das wussten die Knecht im Schloß.'

Es bleibt unklar, welche Rolle die Geislinger Bürgerschaft gespielt hat. Denkbar sind zwei Positionen. Die eine Alternative wäre, dass die Geislinger Bürger aufgrund der Besatzung von Burg und Stadt gezwungenermaßen auf der Seite der Markgräfler stehen mussten, um nicht gebranntschatzt zu werden, wie es manch anderen Gemeinden im Ulmer Land ergangen ist. Das hieße, die Bürgermeister der Stadt hätten gute Miene zum bösen Spiel gemacht, nur um Hab und Gut und Leib und Leben zu retten.

Andererseits ist es durchaus denkbar, dass die Geislinger Bürgerschaft unter der Führung ihrer Bürgermeister den Markgräflern gerne die Tore der Stadt geöffnet hatten und in der offenen Parteinahme mit den Angreifern sich gegen die drückende Ulmer Herrschaft auflehnten, die sie seit über 150 Jahren zu ertragen hatten. Vielleicht hatten sie die einmalige Chance gesehen, sich ein Stück Eigenständigkeit zu erkämpfen, wenn sie die Partei der Markgräfler ergreifen würden.

Die Tatsache jedenfalls, dass die Geislinger bei den Belagerern um Gnade baten, ihnen wieder ihre Stadttore öffneten und sich damit den Ulmern auf Gedeih und Verderb ergaben, zeigt an, dass weiterer Widerstand sinnlos geworden war.

Dies erkannten auch sofort die Markgräfler Landsknechte in der Burg und der Chronist berichtet: '... da handt die Knecht im Schloß Gemeindt gehalten und hat sie der Hauptmann (Wilhelm von Kaltenbach) freundlich gebeten, sie sollen bei ihm bleiben, da wöll er Leib und Gut bei ihnen lassen. Aber es half nichts. Um 8 oder 9 Uhr vor Mitternacht, da brachen die Knecht ein Loch durch den Thuren heraus, der Rappen Thurm genannt, und fielen ihrer viel von dem Hauptmann, daß er nit mehr die halbe Anzahl bei ihm hatte.'

In derselben Nacht schickten die Ulmer ein Fähnlein Landsknechte in die Stadt und besetzten diese. Vier Geislinger Bürger wurden ins Schloss hinauf geschickt, um zu erkunden, ob das Schloss von den Feinden verlassen worden wäre, denn die gefangenen fahnenflüchtigen Markgräfler Landsknechte gaben Anlass zu dieser Annahme. Doch die restliche Besatzung der Burg hielt in dieser Nacht noch trotzig aus, denn es heißt in der Chronik weiter: 'Und da (solange) die von Geißlingen marggräfisch waren, schoßen die von Ulm in die Stadt Geißlingen. Und da sie (nun) wieder ulmisch waren, schoßen die marggräfischen herab in die Stadt. Und an dem Morgen (danach) schuß niemand (mehr).'

Am Dienstag, den 10. August, um 8 Uhr morgens ergaben sich die noch in der Burg verbliebenen Markgräfler. Ihr Hauptmann verhandelte mit dem kaiserlichen Oberst Bemmelberg über die Übergabe des Schlosses und den freien Abzug seiner Truppen. Mittags nahmen die Ulmer den Helfenstein 'ungeplündert' und 'mit Geding' wieder in ihren Besitz. Die Markgräfler durften unter Geleit bis zur nächstgelegenen Grenze des Ulmer Landes abziehen.

 
 

Donnerstag, 23. Januar 2014

Belagerung und Zerstörung des Helfensteins 1552 Teil 1

Eine Tragödie in drei Akten


Die ehemalige Ulmer Festung Helfenstein wurde im sogenannten Markgräfler Krieg durch List und Erpressung an Ostern 1552 von den Truppen des Markgrafen Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach besetzt. Die stattliche Burg über der Stadt Geislingen war zuvor niemals von Feinden eingenommen worden, auch während des Bauernkriegs 1524/25 nicht, in dem viele Burgen und Klöster im Umkreis gebrandschatzt wurden. Und es mutet fast wie eine Laune der Geschichte an, dass die Ulmer ihre eigene Festung belagern und sturmreif schießen mussten, um wieder ihre Herrschaft in Geislingen zu erlangen.

Das Vorspiel
Im Herbst 1551 schlossen eine Reihe von protestantischen Fürsten, vornehmlich Kurfürst Moritz von Sachsen, Landgraf Wilhelm von Hessen, Herzog Albrecht von Mecklenburg und Markgraf Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach mit dem König von Frankreich Heinrich II. heimlich ein Bündnis gegen den katholischen deutschen Kaiser Karl V.

Ursachen für diese Fürstenverschwörung gegen den Kaiser waren die Stationierung spanischer Truppen in Deutschland nach dem Augsburger Interim von 1548 und die Pläne Karls V., die deutsche Kaiserkrone erblich an das Haus Habsburg unter Bevorzugung der spanischen Linie zu binden.

Die Beweggründe für diese kaiserfeindliche Allianz lagen weniger darin, wie vorgegeben, für die Verbreitung der evangelischen Glaubenslehre und zum Wohl des deutschen Volkes einzutreten, sondern eher darin, die eigenen territorialen Machtbereiche zu erweitern und autonome Machtbefugnisse von der Zentralmacht des Kaisers zu ertrotzen. Dabei waren sich diese protestantischen deutschen Fürsten nicht zu schade, mit dem französischen König und Protestantenfeind Heinrich II. ein Zweckbündnis abzuschließen, was zur Folge hatte, dass die Franzosen in Elsass und Lothringen einfielen und die Bistümer und Reichsfestungen Metz, Toul und Verdun erobern konnten.

Ihre Kriegspläne gegen den Kaiser führten die Fürsten im Frühjahr 1552 auch schnell aus. Ihr Hauptziel war, den Südwesten des Deutschen Reiches unter ihre Kontrolle zu bekommen. Vor allem die drei Reichsstädte und Handelszentren, Nürnberg, Augsburg und Ulm, waren die strategischen Ziele ihrer militärischen Operationen. Dazu war ihnen jedes Mittel recht, sei es List, Verrat oder Gewalt. Nachdem die beiden erstgenannten Reichsstädte nebst Dinkelsbühl, Schwäbisch Hall, Nördlingen und Rothenburg in ihre Hände gefallen waren, zogen sie mit 10.000 Mann am 12. April 1552 von Weißenhorn her auf Ulm zu und forderten die Reichsstadt zur Kapitulation auf.

Ulm blieb jedoch nach Abstimmung seiner Bürger Kaiser und Reich treu, verweigerte die Übergabe und rüstete sogleich zur Verteidigung der Stadt, obwohl die Garnison sehr schwach, dadurch das umliegende Land dem Feind ausgeliefert und kaiserliche Hilfe fern war.

Nach siebentägiger Beschießung und Belagerung und dem Verlust von ungefähr 700 Mann bei der vergeblichen Erstürmung der Reichsstadt zogen die Belagerer schließlich ab, wobei sie das nahe Umland der Stadt verwüsteten.

 
Ein Großteil der kurfürstlichen Heeresmacht zog unter der Führung von Moritz von Sachsen nach Tirol gegen den Kaiser, ein anderer Teil unter den Fürsten von Mecklenburg und Hessen gegen Ravensburg und Stockach. Der Rest der Truppen blieb unter der Führung des Markgrafen von Brandenburg im Ulmer Land, wo weitere 18 Dörfer ausgeplündert und niedergebrannt wurden. Ebenso wurden die Hauptorte des Ulmer Landes, Leipheim, Langenau, Albeck und Geislingen, gebrandschatzt, d.h. entweder wurde eine geforderte Geldsumme sofort bezahlt oder die Stadt wurde niedergebrannt.

Geißlingen mit dem Schloß Helffenstein. Eine der ältesten Darstellungen der Stadt Geislingen und der Burg Helfenstein, 16./17. Jh., kolorierte Federzeichnung, Stadtarchiv Ulm
 
1. Akt: Die unrühmliche Besetzung der Stadt Geislingen und der Festung Helfenstein durch den Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach
Geislingen und der Helfenstein wurden in der Osterwoche 1552 von den Truppen des Markgrafen von Brandenburg überrumpelt und ohne Kampf eingenommen. Wie dies vonstatten ging, wurde in einer Chronik überliefert, die sich im Stadtarchiv Ulm befindet und deren Verfasser unbekannt ist, der aber damals ein Augenzeuge der Geschehnisse hier in Geislingen gewesen sein musste. Der Chronik zufolge ging die Einnahme der Stadt und der Burg folgendermaßen vor sich:


Markgraf Albrecht von Brandenburg schickte vorab einen Zug Reisiger, das waren schwerbewaffnete, gepanzerte Reiter, auf Geislingen zu. Ihnen voran ritten drei Kuriere mit einem Trompeter über die Alb vor die Festung Helfenstein und begehrten von der Burgbesatzung den unbeschadeten Durchritt des Reiterzuges, der ihnen auch gewährt wurde.


Die Festung Helfenstein war unter der Führung der beiden Ulmer Burgvögte Mang Kraft und Hochwäher mit 24 Schützen, 4 Wächtern, einem Trompeter und der sechs besten Kriegsleute aus Geislingen besetzt. Die Stadt Geislingen selbst war dagegen unbesetzt.


Die brandenburgischen Kuriere ritten dann zur Stadt hinunter und benachrichtigten Hans Ehinger, den hiesigen Ulmer Vogtverwalter, und die Geislinger, daß ein 'reißiger Zug' durchziehe, den man nicht in die Stadt lassen, sondern hinten hinab weisen soll. Der Zug ritt still und ohne allen Schaden hinter der Stadt, also entlang der Westseite vorbei und besetzte die vier Dörfer im Filstal unterhalb der Stadt.

In der Chronik heißt es weiter: 'Es blieb aber ein Oberster mit 40 Pferdten in der Stadt Geislingen. Da es Abend war, ließ er noch wohl 80 Pferdt zu ihm auß den Dörfern in die Stadt kommen; das die von Helfenstein nit sehen konnten, das geschah am Oster Aftermontag (Dienstag).'



Hier ist der Chronist, wahrscheinlich der Geislinger Vogtverwalter Hans Ehinger selbst, ziemlich ungenau. Zunächst ist lediglich von einem Vorbeizug der Reiter an der Stadt die Rede, dann allerdings bleibt plötzlich ein Oberster mit vierzig Reitern als Besatzung in der Stadt, denn mit dem Begriff 'Pferdten' kann nichts anderes gemeint sein als eine Abteilung des Reiterzuges. Und am Abend des Dienstag nach Ostern werden weitere 80 Reiter heimlich in die Stadt gelassen.


Was war zwischenzeitlich passiert? Was verschweigt der Chronist wohl absichtlich? Hat sich etwa der gutgläubige Geislinger Vogtverwalter überrumpeln lassen, als der Reiterzug ankam und der Oberst mit seinen 40 Reitern in die Stadt einrückte? Oder wurde der vielleicht gar nicht so gutgläubige Ulmer Vogtverwalter von den drei Kurieren unter Bedrohung seines Lebens zur Übergabe der Stadt gezwungen?


Man weiß es nicht. Jedenfalls ist es offensichtlich, dass die Stadt durch Arglist von dem Brandenburger okkupiert wurde, denn in derselben Nacht um 10 Uhr kamen noch vier Fähnlein Fußvolk in die Stadt, was vom Helfenstein aus ebenfalls unbemerkt blieb. Und nachdem anderntags noch zwei Regimenter Landsknechte durch Geislingen zogen und unterhalb der Stadt auf den Lauffenwiesen ihr Lager aufschlugen, ritt der Markgraf selbst in Geislingen ein.







 











Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach (1522 – 1557), Belagerer von Ulm und Eroberer des Helfensteins. Kupferstich, undatiert, Stadtarchiv Geislingen
 


Nach Arglist und Täuschung setzte nun der Markgraf Erpressung und Androhung von Gewalt ein, um die ulmische Besatzung des Helfensteins zum Einlenken zu bewegen, und es wird berichtet:
'Und auf den Donnerstag am Morgen luß (ließ) er denen zu Helfenstein anzeigen, daß alle Burger aus Geißlingen auß dem Schloß herab in die Stadt zu ihrem Hab und Gut zihen sollen oder ihre Häußer müssen brennen mit Feuer. Da ließendt die Burgvögte die von Geißlingen heraus, häts Mancher nit thun, wenn er Burgvogt wär geweßt. Da erfuhr der Markgraf alle Sach, und begehrte darnach das Schloß auf; doch den Burgvögten zween Spital-Wägen geladen mit ihrem Gut wollt er ihnen heraus lassen, und die anderen mit gewehrter Hand und Fried und Glait ziehen lassen. Das nahmen die von Helfenstein an und gaben das Schloß auf. Da war ein Geschrei unter dem gemeinen Mann der in das Schloß geflüchtet hat all sein Hab und Gut. Und da man das Schloß aufthat, ließ man niemand hinein dann die zween Wägen, und die markgräf'schen Herren waren im Hof gestanden, daß die zween Wägen flugs geladen und wieder hinaus kämen; und alsdann wurde Helfenstein geplündert. Der Markgraf zog alsdann hinweg und besezte das Schloß mit 29 Rotten Schützen und wardt Oberst der Sylvester Hornung und über die Reiterei wardt Balthuß Reysensteiner verordnet. Und also war das Schloß besezt und Spieß und Büchsen und was man dörfte, nahmen sie zu Geißlingen.'